…dann weiss ich wieder …
Manchmal, da gibt es diesen kleinen Moment. Wo wir wieder genau wissen, warum wir die Photographie so sehr lieben.
Wir unterhalten uns ab und zu. Gestern erwähnte sie ein altes Photo. Entstanden vor 8 Jahren. Natürlich, ich frage nach. Bei Photos frage ich immer nach. Ich würde es gern sehen. Wir plaudern noch ein wenig und heute bekomme ich eine Mail. Sie hat den Abzug einscannen lassen, schreibt, es wäre ja nichts grossartiges, sie habe eh keine Ahnung von Photographie.
Aber einen Rückschluss habe ich längst ziehen können aus den Sätzen, die wir ab und zu über Twittern wechseln. Über das, was sie ab und zu sagt, in 140 Zeichen. Ein Mensch, der sich seiner Emotionen bewusst ist, es aushält, sich ihnen zu stellen und sie zuzulassen. Das war der Eindruck, den ich bisher gewann.
Vielleicht habe ich das Photo deswegen sehen wollen. Weil ich geahnt habe, es würde eines dieser Bilder sein, für die wir alle photographieren. Ich öffne es und meine Einschätzung bestätigt sich.
Ich habe den Anhang geöffnet und dafür öffnete sich mir eine ganze Geschichte. Eine Erzählung in einem einzigen Photo. Es ist ein sehr persönliches Bild und sie bat darum, es nicht zu veröffentlichen. Weil sie es der abgebildeten Person versprach. Daran halte ich mich. Deswegen zeige ich es euch nicht. Obwohl ich gern würde.
Es ist eine zaghafte, schüchterne Annäherung. Als Betrachter stehen wir hinter einer jungen Frau. Im Halbdunkel eines noch sehr frühen Morgens. Vielleicht einer beginnenden Nacht. Sie hält den Kopf leicht gesenkt, das Licht einer einzelnen Stehlampe legt einen sanften Bogen von ihrem Nacken über die Wölbung ihrer rechten Schulter. Die Haare sind dunkel, ein klassischer Bob. Der Schwung der Strähne an der Seite lässt erahnen, wie sie die Haare manchmal hinter das Ohr schiebt. Über ihre linke Schulter sehen wir in eine Fensterscheibe, die Dunkelheit draussen erlaubt eine Spiegelung ihres nackten Oberkörpers. Ihr Gesicht bleibt sanft im Verborgenen, das wenige Licht lässt die Konturen und ihr Profil erahnen, über ihren Brüsten liegt eine weiche Unschärfe. Aber die Form ihres Körpers, ihre Haltung, das alles erzählt uns von einer Nähe, einer Vertrautheit, einem unbeobachteten Moment, wo sie sich nah und beieinander waren.
Dafür liebe ich die Photographie. Für diese Momente, für diese Einblicke die wir manchmal so unverhofft bekommen. Für die Bilder, für die Geschichten. Ich werde jetzt noch vorsichtig ein paar der unpassenden Fussel retouchieren, die ein unachtsamer Scan in einem Photoladen auf dem Bild hinterliess. Danach schicke ich es ihr zurück und lösche das Original von meiner Platte. Denn diese Geschichte, die gehört mir nicht. Aber ich bin froh, das ich sie ansehen konnte.
Am 12. September 2009 um 06:59 Uhr
manchmal ist es besser von einem Bild zu lesen als es zu sehen
Am 18. September 2009 um 23:15 Uhr
Nika kann viele Sachen so umschreiben, dass sie zu sehen wohl kaum Mehrwert wäre. ich hätte das Bild dennoch gern gesehen, weil ich neugirieg bin und da es nicht geht, überlasse ich die Neugierde der Phantasie.