Maschen und Wellen.

Zuletzt, als es sich so anfühlte, habe ich begonnen, einige meiner Möbel zu lackieren. Jetzt, wo es sich so anfühlte, habe ich begonnen, das Stricken zu lernen. Weil es keine Möbel mehr gab, die ich hätte lackieren können.
Weil es keine Sonne gab, die das Licht lieferte. Keine warme Luft, die das Trocknen des frischen Lacks hätte beschleunigen können. Aber meinem Hirn war das egal. Mein Hirn drehte frei und irgendwo musste dieses ganze Chaos hin.

Das Aufschreiben, bloggen, Worte dafür finden, das ging nicht. Alles war zu ungeordnet. Manches hat mir eine solche Angst gemacht, dass die Worte nicht wollten. Vielleicht weil ich in meinem Blog gelernt habe, dass die Worte es deutlich machen. Greifbar. Dass ich Dinge, wenn ich sie aufschreibe, dabei zwangsläufig ansehen und sortieren muss. Ich wollte aber nicht hinsehen. Ich wollte mein Vergessen zurück.

Dann sah ich dieses Foto eines Schals im Fischgrätmuster. Den wollte ich. Das wollte ich lernen. Mein Hirn mit Maschen ablenken, es austricksen, es zwingen, sich mit meinen Händen und den Wollfäden zu beschäftigen. Zu lernen, wie man die Nadeln hält. Zu lernen, wie der Faden im richtigen Rhythmus durch die Finger gleiten muss, wie die Nadeln in die Maschen gehören, wie die Bewegungen funktionieren. Gleichmässig, wie Wellen und Atmen. Denn Atmen, das war manchmal das einzige, was ich noch konnte.

Jetzt kann ich stricken. Jetzt habe ich einen Schal im Fischgrätmuster. Und einen mit rechten und linken Maschen. Und eine Mütze. Und einen weiteren Schal im Fischgrätmuster, den ich inzwischen verschenkt habe und der jemand anderen begleitet in den ersten Frühlingstagen, die manchmal noch kühl sind. Im Wind, der manchmal, wie eine Erinnerung an diesen viel zu langen und zu dunklen Winter in die Kleider huscht. Als wollte er sagen, trau dem Frühling nicht. Trau der Sonne nicht, ich bin noch nicht weg. Genauso wenig weg wie all‘ Dinge in meinem Kopf.

4 Reaktionen zu “Maschen und Wellen.”

  1. lordfoltermord

    Damals, zum Ende meiner Schulzeit, also irgendwann zwischen Paläozoikum und „Pepe, der Paukerschreck“ war der Grundton im Klassenzimmer ein gleichmäßiges „klackklack“, das von den meisten Mädels der Klasse verursacht wurde. Lehrerseits wurde dies toleriert, da sie stricken und gleichzeitig zuhören konnten bzw. zumindest den Eindruck erweckten, dies zu tun.

    Das „klackklack“war übrigens der legitime Geräuschnachfolger des einige Zeit zuvor penetrant hauptsächlich durch mich und meine Geschlechtsgenossen verursachten „ratschratschratsch“, das zumeist NICHT mit gleichzeitigem Aufpassen einherging und entsprechend unbeliebt auf Lehrerseite war. Ich sage nur „Zauberwürfel“ …

  2. lordfoltermord

    Was ich eigentlich sagen wollte:

    Ich kann gut verstehen, dass unser Inneres mitunter andere Wege und andere Zeiten benötigt, um mit Dingen umgehen zu können. Sich mit anderen Sachen abzulenken scheint mir da sehr nachvollziehbar, zumal du jetzt auch wieder etwas Neues kannst.

    Ich hoffe nur, dass Zeit, Fischgräte und werweißwasnoch dir vieles von der Angst genommen haben. Sehr schön, dass du wieder zurück bist … oder sagen wir besser „mal wieder vorbeischaust“, wir wollen ja die Erwartungshaltung nicht gleich zu hoch schrauben.

    Freu mich …

  3. Nika

    :) Jetzt musste ich kurz lachen. Dein Gemurmel ist beinah länger als meines, was ich sehr begrüsse.

    Und niedrige Erwartungshaltungen finde ich gut, irgendwie muss man sich dieses Blogdingen ja doch erst wieder anziehen und hineinfinden.

  4. Nika

    Erinnere mich bitte jemand bei Gelegenheit, dass meine nächste, prophetische Aussage bezüglich des Wetters sich ausschliesslich auf Sonne, angenehme Temperaturen und wohliges Klima bezieht.

    Ich möchte nicht nochmal erleben, dass der Winterarsch albern kichernd denkt: „Hey, stimmt, ich könnte ja nochmal so richtig. Aber auch so RICHTIG…“

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