Holgerssontag
Ich höre ihre Rufe, als ich das Haus verlasse. Die Sonne steht tief über den Feldern, die Wolken sind federig hell. Ich bleibe einen Moment auf der Strasse stehen. Aber ich kann sie nicht sehen.
Ich muss daran denken, wie meine Oma mir die Geschichte vorlas. Vom kleinen Jungen, der mit den Gänsen reiste.
Das erste Teilstück meines Weges ist ruhig, kaum Verkehr heute Morgen. Als ich zwischen den Feldern entlangfahre, sehe ich sie im Augenwinkel, lasse den Wagen langsam ausrollen und bleibe am Strassenrand stehen.
Ich sehe ihnen eine ganze zeitlang hinterher, wie sie in der grossen V-Formation über die Felder gen Horizont ziehen. Mit langen, gleichmässigen Flügelschlägen. Die Luft ist klar und kalt und ich beneide sie um ihren Flug.
Später, als ich ein Stück der Stadt durchquere, ist für einen Moment Winter. Die Strasse zwischen den Häuserfluchten ist eingehüllt in weisses Trudeln, Wirbeln, es wirkt wie ein tanzender Schneeflockensturm. Ich sehe sie auf dem Asphalt liegen, umfahre die blutigen Reste der Taube, deren Federn so umhergestrudelt werden vom rauschenden Verkehr. So unterschiedlich sind die Flüge, aber kein Flug sollte so enden.
Am 18. September 2008 um 14:04 Uhr
ich lese die ersten drei Worte und denke „Nils Holgerson“! Ich selbst habe kaum alte Erinnerungen an die Geschichte, es sind neuere Erinnerungen aus der Zeit als unsere Kinder die Geschichte nachspielten.
und kein Flug sollte so enden – machen tun es aber trotzdem :-(
Am 19. September 2008 um 07:48 Uhr
Wenn etwas kommt, geht auch etwas. So habe ich es erfahren.
Nils Holgersson kenne ich nur als Zeichentrickfilm. Hatte da irgendwie nie so recht Zugang zu.
Wenn die Gänse in Formation fliegen, dann schaue ich auch gern zu und stelle mir vor, wohin ihr Weg sie führt. Wie sie geleitet werden.
Ich mag die Vorstellung vom weißen Trudeln. Das Ende der Geschichte ist nicht schön. So ist das Leben. Manchmal nicht schön. Aber vielleicht fliegt sie ja jetzt als Gans dem Horizont entgegen. Warum auch nicht?
Am 19. September 2008 um 14:47 Uhr
wie viel sehnsucht doch in paar nika-zeilen stecken kann… märchen aus der kindheit. oma, die einem die spannenden zeilen vorliest. sofort fühle ich warme etwas faltige hände und spüre gerüche in der nase. dann die gänsegeschichte, ich bin da genau so und beneide diese tiere um ihren flug. dann hart in die realität gelandet, stadtvögel haben andere schicksale als freilebende wilde und von menschen unabhängige genossen. und wieder sehnsucht. hach.
Am 24. September 2008 um 13:45 Uhr
Das wird ein kalter Winter…..