Versatz.
Eigentlich sind das die besten Momente im Sommer. Wenn es still wird, die Vögel abwartend schweigen und dann die Welt ausatmet. Den Wind ausatmet, der das nahende Gewitter ankündigt. Wenn das Licht weich und die Luft regenschwer wird. Bis dann das sanfte Trommeln der Regentropfen die Stille ablöst und die Welt sich weiterdreht.
Kurz bin ich verwundert, dass ich dabei „Sommer“ denke, dabei ist es erst Frühling. Aber vielleicht war der Winter einfach zu lang, um noch richtig in den Jahreszeitet verortet zu sein. Als hätten wir etwas übersprungen. Wenn ich länger darüber nachdenke, fühlt es sich fast an, als wäre „verloren“ das richtigere Wort.
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Der Wagen vor mir rollt langsam aus und bremst an der Strassenverengung, um erst den Gegenverkehr durchzulassen. So stehen wir für einen Moment und ich habe Gelegenheit, sie zu beobachten. Wie sie energisch aus der Einfahrt kommt, fast einen geschäftlichen Eindruck macht. In ihrer schwarzen Hosen, dem schwarzen Trenchcoat und dem festen, zielgerichteten Schritt. Der so gar nicht zu diesem Ort passen will. Sie nutzt eine Lücke zwischen den Autos und geht auf die andere Strassenseite. Ihr Mantel weht im Wind, was den dynamischen Eindruck noch verstärkt. Dort bleibt sie stehen, dreht sich wieder zurück in die Richtung, aus der sie eben kam. Steht dort. Sieht hinüber. Ich folge ihrem Blick und frage mich, was sie dort sieht. Denn eigentlich sind von ihrem Standpunkt aus nur die alten, hohen Bäume und die kleine Mauer der Einfahrt des Friedhofes zu sehen. Sie greift in ihre Manteltasche und hält eine Kamera in der Hand, fotografiert, während der Gegenverkehr vorübergefahren ist und auch ich meinen Weg fortsetze. Während ich den Blick von ihr abwende und weiterfahre, denke ich noch kurz, dass ich nicht auf einem Foto der Friedhofseinfahrt sein möchte.
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