Wie ich einmal nicht ankam. Vielleicht auch zweimal.
Ich hasse diese Stadt. Echt.
Es gab vor Monaten, vielleicht sogar Jahren, einen Samstagabend. Wir wollten ein kühles Getränk, in angenehmer Umgebung. Gern auch mit einer handvoll liebgewonnener Menschen. Aber niemand wollte uns begleiten. ‚Och nööö, wir machen uns einen kuscheligen Abend auf dem Sofa.‘ So und so ähnlich die gesammelten Antworten nach wenigen Minuten telefonischer Rundfragen. Wir beschlossen also kurzerhand, ein leichter Trotz schwang in dieser Entscheidung mit, dann eben nicht. Fahren wir halt allein. Düsseldorf sollte es werden. Schick ein Getränk, ein bisschen Menschen beobachten, kichern, lästern. Mädchendingens, eben.
Irgendwann leuchteten in einem roten Reigen Rücklichter vor uns. Aufgereiht, ordentlich hintereinander, stillstehend. Wir stellten uns mangels Alternative also hübsch hintenan, verwundert. Wo kamen die denn alle her? Warum stehen wir jetzt hier doof rum? Das Radio lieferte nach einer kurzen Weile des noch immer irritierten Herumstehens die Antwort. Vollsperrung. Die Autobahn war einfach für Brückenbauarbeiten 5 km vor unserer Standposition gesperrt worden, die nächste Ausfahrt nichtmal in Sichtweite. Herzlichen Glückwunsch, entspannen Sie sich, lehnen Sie sich zurück, etwas anderes können Sie eh gerade nicht tun.
Nachdem wir zuerst eine respektabele Ansammlung Flüche und Schimpforgien im Wageninneren ausgebreitet hatten, blieb in der Tat nur noch Warten. Zentimeterweise vortasten auf dem Weg zur nächstmöglichen Ausfahrt. Irgendwann hatten wir auch das geschafft, folgten Umleitungsschildern und dem Instinkt. Tatsächlich kamen wir noch an diesem Abend in Düsseldorf, sogar in der Altstadt, an. Komplett entnervt, erschöpft, einfach müde. Im nächstbesten McDonalds gab es für uns jweils eine Cola, Gähnen, ungläubiges Kopfschütteln. Gefolgt vom Beschluss ‚Bitte, es ist halb 1, können wir wieder nach Hause fahren?‘. Ja, konnten wir. Taten wir.
Heute Abend dann die Neuauflage.
Im Kunstforum NRW hängt eine hübsche Photo-Ausstellung. Modephotographie von 1843 bis 2006, fast 400 Bilder von 100 Photographen. Fanden wir beide gleichmassen interessant. Ich habe kurz die Augenbraue gehoben, vielleicht tippte die Erinnerung an den Düsseldorf-Versuch von damals bereits zu diesem Zeitpunkt sanft auf meine Schulter. Wir beide und Düsseldorf, das konnte doch eigentlich nicht gut gehen. Trotz allem stieg ich in diesen Wagen. Schlug hoffnungsvoll die Tür zu. Nach den ersten Kilometern bin ich tatsächlich entnervt. Schwer sogar.
Die Reifen rauschen auf dem nassen Asphalt, es ist Dunkel wie in einem Bärenarsch, es regnet in Strömen, die Autobahn ist komplett dicht. Natürlich, Weihnachtsmärkte in jeder verdammten Stadt des Ruhrgebietmolochs. Ich hätte es besser wissen müssen. Jede einzelne Sturmböe gibt ihr Bestes um meine Laune in einen komplett entnervten bis leicht aggressiven Grundzustand zu bringen. Klappt bis hier hin schon mal hervorragend. Vielleicht noch ein bisschen mehr Regen, ja? Immerhin kann ich noch geschätzte 50m, gefühlte 10m, im voraus die Rücklichter erkennen. Freie und entspannende Sicht wird eh völlig überschätzt. Bis kurz vor die Altstadt habe ich ein hübsches Aggressionspotenzial erreicht, an der nächstbesten Ampel in der (ebenfalls völlig überfüllten) Innenstadt könnte ich eine Schlägerei anfangen. Alternativ einen der ebenfalls ortsunkundigen, trüssligen Autofahrer, die mir gerade das Leben schwer machen, die Böschung zum Rheinufer runterschubsen. Natürlich bewahre ich die Contenance, jedenfalls so weit, dass ich nicht aussteige, detailliert werde ich hier die gefallenen Flüche, Verwünschungen und Beschimpfungen nicht erwähnen.
Es gelingt, wenigstens die Strasse zu finden, in der das Kunstforum seinen Sitz hat. Dummerweise gibt es keine Parkplätze. Wir rollen, ich völlig entnervt, U. mit einem sorgenvollen Gesichtsausdruck, die 250 m entlang, der Wagen hinter mir signalisiert eine gewisse Ungeduld. Es bleibt nur weiterfahren, kein Parkplatz in Sicht, am Ende der Strasse informiert mich ein Schild darüber, dass ich jetzt hier rechts und nur rechts abbiegen möchte. Nein, will ich aber eigentlich doch gar nicht, rechts neben mir geht die einzig verfügbare Spur auf eine der verhassten Rheinbrücken. Eine der Brücken, die mich jetzt 2 km lang mit einem One-way-Ticket von meinem Ziel wegführt. Vielen Dank. Erwähnte ich, wie sehr ich überfüllte Innenstädte im Dunkel und strömendem Regen hasse? Nein? Dieser Hass ist ausgesprochen ausgeprägt. Also das Ganze nochmal. Über die Rheinbrücke, natürlich. Auf der anderen Seite der Rheinbrücke das Ganze von vorn. Wieder rüber, Richtung Kunstforum. Erstaunlicherweise hat in der Zwischenzeit weder der Regen abgenommen, noch hat jemand einen hübschen Parkplatz angelegt. Liebes Forum, ausreichende Beschilderungen werden in der Tat überschätzt. Die Städte müssen sparen, klar. Düsseldorf natürlich auch. Besonders an Schildern, die ortsunkundigen, komplett entnervten Frauen mitteilen, wo sie ihr verdammtes Auto lassen können. No way. Rechts von mir eine Einbuchtung, beschildert mit „Feuerwehrbewegungsfläche„. Ich will jetzt nicht wissen, was ich mir darunter vorstellen soll, aber immerhin kann ich dort für einen Moment den Wagen hinein- und aus dem fliessenden, dank mir eventuell kurz stockendem Verkehr, hinausbugsieren.
Als ich tief Luft hole und hörbar ausatme um mit dem folgenden Atemzug dann endgültig zu explodieren, tauschen wir die Plätze. Ich gebe auf. Bevor ich jetzt komplett die Fassung verliere, am Ende gar doch noch Streit mit dem nächstbesten Passanten anfange, schlüpft U. auf den Fahrersitz. Für einen Moment stehe ich im strömenden Regen neben meinem Wagen, betrachte die richtungsweisende Beschilderung ein paar Meter weiter, der ein Hinweis auf das Forum oder die heissersehnte Parkmöglichkeit vollständig fehlt. U. versucht unserem Glück mit einem U-Turn und einer Umrundung des Gebäudes auf die Sprünge zu helfen. Leider ebenfalls vergebens. Es ist einfach unmöglich in dieser Kombination aus Dunkelheit from Bärenarsch, strömendem Regen from Niagara und Unmengen ebenfalls entnervter Autofahrer, eine Parkmöglichkeit in der Nähe aufzutun.
Schicksalsergeben fädeln wir uns ein, rutschen kopfschüttelnd mit dem Verkehr durch die Stadt, lassen uns von Autobahnschildern führen. Weg, bitte. Raus hier. Es reicht. Ehrlich. Ich kann es wirklich nicht fassen. Das kann doch jetzt wirklich nicht wahr sein. Vermutlich werde ich gleich blinzelnd in meinem Bett wach, staune ins Kissen über diesen ausgesprochen beknackten Traum und alles ist gut. Weit gefehlt.
Eine zeitlang herrscht Schweigen im Wagen. Ich versuche konzentriert meine Aggressionen wegzuatmen, U. versucht uns heil zwischen den Regenfäden und Autos über diese Autobahn Richtung Heimat zu befördern.
Irgendwann lachen wir gleichzeitig. Vermutlich erste Anzeichen einer Hysterie. Aber ich kann nicht anders. Ich muss lachen, prusten, kopfschütteln. Eingestreute „Ich glaub das nicht..“ und „Das kann echt nicht wahr sein„, gemischt mit „Das glaubt uns kein Mensch, ich glaub’s ja selber nicht“ wechseln sich mit anhaltendem Lachen ab. Irgendwann sehe ich U. an und kann mir die einzig mögliche Frage, die logische Konsequenz nicht verkneifen. „An der Abfahrt ein paar Kilometer weiter gibt’s ein McDonalds. I need icecrem. NOW…. Sollen wir?“ U. lacht immernoch, nickt. „Gezz ’n lecker Eis. So richtig schöööön bei McDonalds. Toller Tach, hömma. Nää, wat war dat schön, do.“
Nach dem Eis war es dann besser. Aber ich will nie wieder nach Düsseldorf.
(Jeder Ortskundige und/oder Düsseldorfer, der sich nun bewogen fühlt, Klugscheisserkommentare über Parkmöglichkeiten und/oder Ähnliches von sich zu geben, sollte sich sicherheitshalber mit folgendem Szenario vertraut machen : Teeren, Federn, vom Hof prügeln.)
Am 3. Dezember 2007 um 08:33 Uhr
Da lob ich mir doch mein Ticket 2000. Am Wochenende für Umme durch den ganzen VRR, sogar nach Düsseldorf :-)
Aber jetzt wo D’dorf ja schuldenfrei ist, könnten sie sich ruhig mal ein paar Parkplätze und Verkehrsschilder mehr anschaffen, ehrlich jetzt
Am 3. Dezember 2007 um 17:30 Uhr
Du musst mir verzeihen, aber ich genieße Deine Pannen. Ganz besonders in Begleitung von U. Keiner kann so miserable Situationen so lebendig und amüsant erzählen wie Du. Ich freu mich schon auf Eure nächste Reise nach Düsseldort, nach Kamtschatka oder sonstwohin. :-)))