::Status.Quo:: Der Anfang.

Ich erinnere mich noch an den Moment, wo alles begann.
Es war nur ein einziger Satz. Zuerst ein Gerücht. Der berühmte Flurfunk.
Wo ich normalerweise über die Gespräche meiner Kollegen müde lächele, gähne, genervt weghöre, da wurde ich plötzlich aufmerksam. Da war sie, meine Chance.
Das Zauberwort war Aufhebungsvertrag. Sie sprachen darüber, dass die Trommeln sagten, es könnte diese Möglichkeit geben.
Ich blätterte weiter in der Tageszeitung auf dem Tisch, überflog die Nachrichten, aber mein Gehör hatte sich an die Lippen der Anwesenden geheftet. Mein Hirn notierte Namen, Daten und alles an Information, was so beiläufig zwischen den Rauchschwaden über den Tisch zog.
Dann ging ich zurück an meinen Platz, sah auf meinen Monitor während mein Hirn all das Gehörte sortierte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Wogen und Wellen höher schlagen würden. Bis der Flurfunk auch hier, in meinem Büro, ankam. Bis dahin musste ich mehr wissen.
In einem Grossraumbüro ist es nicht immer einfach, die richtigen Momente zu finden. Die Momente, wo der Radius zwischen mir und den Anderen weitläufig genug war ein Telefongespräch zu führen. Ich wusste, wen ich anrufen musste. So lauerte ich. Wartete. Beobachtete jeden Schritt der Anwesenden um mich herum.
Dann waren sie zur Mittagspause, Rauchen und Pinkeln. Ich nahm den Hörer ab, wählte die ersten Ziffern der Nummer, die ich bereits im internen Telefonbuch gesucht und gefunden hatte. Legte wieder auf. Holte tief Luft. Tiefer. Noch einmal. Griff erneut zum Hörer, wählte und wartete das Freizeichen ab. Jetzt musste es schnell gehen, niemand sollte wieder in Hörweite auftauchen, bevor ich diesen Termin vereinbart und das Gespräch beendet hatte.

Der erste Schritt war getan. Ich brauchte die nächste günstige Gelegenheit. Ich hatte den Termin in die Mittagszeit gelegt, verabschiedete mich in die Pause. Verschwand in den weitläufigen Gängen im Trakt, wo niemand eine Pause verbringt, aber grundlegende Dinge klärt. Das Gespräch war gut, informativ. Und ich sammelte im Hintergrund Papiere, Ausdrucke, Aufstellungen.

Am Abend, aus dem Auto, trieb ich meine Telefonrechnung in die Höhe. Sprach mit Freunden, holte mir Meinungen, weitere Namen. Machte die nächsten notwendigen Termine. Ich habe in dieser Woche 2 x meine Winterreifen aufziehen lassen, eine Reperatur am Wagen vornehmen lassen, hatte einen Zahnarzttermin und eine Einladung zum Essen. Alles Gründe das Büro eher als gewohnt zu verlassen um unter anderem mit meiner Anwältin, Fachrichtung Arbeitsrecht, zu sprechen. Um Papiere und Aufstellungen prüfen zu lassen. Um mit meiner Familie zu sprechen. Um mir den Raum für diese Entscheidung zu schaffen.

Nachdem ich die Gespräche mit Betriebsrat, Anwältin, Famile und Freunden auf der Timeline aufgereiht hatte, sich jedes Teil wie ein einem guten Puzzel eingefügt hatte, wusste ich das es nur vorwärts gehen konnte. Das ich die Entscheidung eigentlich schon in diesem einen Moment in der Raucherecke getroffen hatte. In dem Moment, wo ich zum ersten Mal von dieser Möglichkeit hörte.
Ich wusste von einem Datum, an dem es letztmalig möglich sein sollte, verbindlich um diesen Vertrag zu bitten. Ich hatte mir vorgenommen, noch dieses eine zwischenliegende Wochenende zu nutzen um sicher zu sein. Man gibt nicht kurzerhand einen unbefristeten Vertrag auf, mitten in der Wirtschaftskrise.

Auf einmal musste alles sehr schnell gehen. Meine zeitliche Planung wurde, wie so oft, über den Haufen gefahren. Nachmittags äusserte meine Chefin, die nächsten 3 Tage ausser Haus zu sein. Aber ich brauchte als erstes ihre Bestätigung, bevor ich die nächsten Ebenen informieren konnte. Plötzlich wurde aus meinem noch-über-das-Wochenende-Zeitplan ein nur-noch-Heute.
Ich bin noch einmal eine rauchen gegangen. Eine letzte Zigarette vor dem endgültigen Gang. Vor dem Gang, mit dem ich die Tür hinter mir zuschmeissen würde. Ich nahm die Schaufel und schippte schwungvoll das Loch im Sand zu, in das ich noch bis vor wenigen Sekunden meinen Kopf hätte stecken können.
Ich bat sie um ein kurzes Gespräch, sah in ihrem Gesicht die Gewissheit, dass inzwischen auch bei ihr der Flurfunk angekommen war und bestätigte ihre Vermutung. Ja, ich würde diesen Vertrag unterschreiben. Ja, ich würde das Unternehmen verlassen. Nein, es gäbe keine Möglichkeit, mich noch einmal umzustimmen.

So unterschrieb sie diesen einen Satz, ausgedruckt und bereits von mir unterschrieben.
Diesen Satz, der mir eine weitere Unterschrift unter diesem Vertrag ermöglichte. Diesen Satz, der besagte, dass mein Weg ein neuer werden würde. Einer, der hoffentlich besser, spannender und mit mehr Spass besetzt sein wird.

Somit habe ich, Stand heute Abend, noch 24 Arbeitstage vor mir. Dann werde ich ein letztes Mal dieses Gebäude verlassen und nicht mehr zurücksehen.
Auf.
Zu neuen Ufern.
Mit vielen Unsicherheiten an Bord. Mit einigen Sorgen. Aber mit viel Optimismus und auch Freude in den Segeln. Das ist, was zählt. Das ist, was mich hoffentlich voranbringen wird.

23 Reaktionen zu “::Status.Quo:: Der Anfang.”

  1. aebby

    Respekt ! … Es wird Dich voranbringen – da bin ich mir ganz sicher. Irgendwie schien mir klar, dass Du Dich so entscheiden würdest, als ich das erste Mal zwischen den Zeilen von dieser Option las. Ich halte Dir noch mehr Daumen als ich habe, dass die nächsten Schritte reibungsarm verlaufen.

    P.S. Ich habe so einen Aufbruch auch schon gemacht und würde es wieder tun.

  2. Mart

    So ein Wechsel ist meistens eine gute Sache – auch wenn die Übergangsphase oft mit einem komischen Gefühl im Magen einhergeht. Go for it!

  3. berni

    wenn dein bauch dir sagt, das muss so sein, ist es meist richtig auf ihn zu hören. sofern die möglichkeit besteht. ich wünsche dir das beste. toi toi toi.

  4. frauvivaldi

    Du hast die richtige Entscheidung getroffen! Hut ab!!

  5. doro

    bin mir sicher, dass es richtig war.
    und ich drücke alle mir verfügbaren daumen, dass du was findest, wo du mit einem guten gefühl und gern zur arbeit gehst.
    um im zeitgeist zu bleiben: yes, YOU can!!

  6. nadja

    erstens, es ist total spannend geschrieben, ich lese deine geschichten oft mindestens zweischichtig – zum einen so, als wären es stories zum lesen, wo ich mich nicht satt lesen kann, erst dann kommt mir in den kopf, das ist ja dein leben, echt, wahr. wow.

    ich wünsche dir, dass du in den nächsten 23 tagen zeit hast, dich von deiner firma zu verabschieden. das ist nämlich beim aufbruch ein wichtiges ritual. tschüss sagen, tisch und schrank aufräumen, abschied feiern, gute kontakte behalten…

    und dann, wenns soweit ist, wünsche ich dir viel rückenwind auf dem weg zu neuen ufern.

  7. lightdot

    CHANGE ist das Wort dieses Jahres. Wünsche Dir Glück dabei. Kraft und Entschlossenheit. Und am Ende viel Erfolg. :-)

  8. Tanja

    Sachischdoch … ;o)

  9. lordfoltermord

    Was mich unabhängig von den gleichfalls fast blaugedrückten Daumen interessiert:
    Wenn Dir Anwältin, Familie, Freunde usw. eher davon abgeraten hätten (In diesen Zeiten? Guckma bei Opel blabla), hättest Du es trotzdem getan? Anders ausgedrückt: Hatte Dein Bauchgefühl nicht bereits die Entscheidung vorgegeben und das Hirn sucht dann noch die Vernunftsbestätigungen?

  10. starfotograf

    wenn ich’s nicht aufgegeben hätte, würde ich jetzt eine rauchen. *schweissabwisch*

  11. Nika

    Danke euch :)
    Wenn ihr so konsequent jetzt bitte Daumen drücken würdet für einen weiterhin schönen Ablauf und dann für einen schicken neuen Job fänd ich das sehr prima.

    Bisher fühlt es sich es aber weiterhin richtig an. Sehr richtig. Genau genommen mit jedem Tag mehr immer richtiger. Was ich sehr angenehm finde. Hach, quasi.

  12. doro

    mal was anderes…….hast du sonntag vormittag zeit für einen mutterkindbesuch in dortmund ? ich würde dich abholen.

  13. Nika

    Das ist jetzt ausgesprochen abhängig von deiner Definition für „vormittag“. Ich gehe Samstag Abend aus, somit werde ich sicher nicht früh in der Lage sein, wie ein Mensch auszusehen, geschweige denn, mich so zu benehmen ;-)

  14. doro

    hm, ich plane so gegen 10h hier loszufahren, von mir aus auch ne halbe stunde später. und ich wär gern so gegen zwei wieder zuhause.
    aussehen musst du nicht, wär aber angenehm, wenn soetwas wie leichte konversation möglich wäre.

  15. Nika

    In Anbetracht der Tatsache, dass wir uns schon wieder sträflich lange nicht mehr gesehen haben, würde mich das tatsächlich reizen.
    Ich sach gezz ma Ja, wa.
    Wenn das Samstag Nacht dann ganz furchtbar schlimm spät wird würde ich auf eine Notfall-SMS „Bitte schlafen lassen“ zurückgreifen. Oder so.

  16. doro

    das klingt nach einem sehr guten plan !
    :-)

  17. Nika

    Hervorragend, dann machen wir das so.
    =)

  18. Nika

    Nur für’s Protokoll um diesen historischen Moment festzuhalten : Ich bin wach. Also nein, Moment, formulieren wir es anders : Ich befinde mich in vertikaler Lage und habe die Augen offen.

  19. Tanja

    Hihi … guten Morgen. Sehr löblich! Kaffee. Aber Zackzack. ;o)

  20. doro

    sie war sogar gesprächig, gutduftend & gutgelaunt.

  21. Tanja

    Iss nisch war … Wahnsinn!

  22. Michael

    Mut wird früher oder später belohnt!

  23. Nika

    Danke, Michael. Ich glaube einfach weiter daran, dass wir damit alle Recht behalten werden. Es muss funktionieren und es wird.
    :)

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