Overflow
Seit Tagen schleiche ich um mein Blog. Seit Tagen beginne ich Einträge und verwerfe sie wieder. Manche Dinge passen nicht in Worte. Nicht in Sätze. Nicht zwischen Zeilen. Sie sind grösser als ich und ich habe Angst, sie werden mich überrollen, lasse ich nur los.
Deswegen beginne ich Einträge um mitten im Satz abzubrechen. Auf den blinkenden Cursor zu blicken und zu wissen, es ist nicht die Zeit davon zu erzählen.
Aber diese leeren Seiten, das vorwurfsvolle Datum des letzten Eintrags, das alles ertrage ich genauso wenig.
Ich wünschte, es wäre wieder Sommer. Ich will dieses unbeschwerte Gefühl wiederhaben, das zu diesen Bildern gehört. Zu diesen lauen Sommernächten in den Sessel, dem leisen Klirren der Löffel in den Tassen und dem sanften Schwingen dieser Pflanze dort.
Aber dieses Gefühl bekomme ich nicht wieder. Es ist zerbrochen, ich habe mich daran geschnitten und nun bin ich verwundet. Trage diese Wunde mit mir und weiss nicht, wie ich sie heilen soll. Ich weiss nichtmal, ob ich das kann. Wir alle haben diese Wunde, jede auf ihre eigene Art. Es ist diese Mischung aus Hilflosigkeit, Verwunderung, Enttäuschung und verletztem Vertrauen. Es gibt soviele Fragen und niemand kann sie stellen. Niemand kann sie formulieren und aussprechen. Niemand bekommt eine Antwort und das hält uns zusammen. Noch näher. Näher als sonst schon. Menschen treffen Entscheidungen und wenn wir bis dahin glaubten, wir hätten das Leben im Griff, es würde schon gehen, dann belehren uns diese Entscheidungen eines besseren. Dann stehen wir in unseren Leben und es bleibt nichts als diese Menge an Fragen, die wir nicht stellen können. Weil die Worte fehlen.
Ich kann diese Fragen nicht formulieren, sie sind nur ein blasses Gefühl, das schwer und bitter in mir liegt. Aber ich habe eine Antwort. Es gab wenige Momente im Leben, wo ich so klar gesagt habe „Ich kann das nicht.“ Aber das ist das einzige, was mir über die Lippen geht. Ich kann es nicht. Ich kann nicht so tun, als fühlte ich mich nicht verwundet.
In diesem Jahr hat sich das Schweigen gesammelt. Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Manchmal ging es um mich, dass ich über Dinge nicht reden wollte. Weil ich manchmal glaube, wenn man Dinge ausspricht, gibt man ihnen eine Form. Dann stehen sie mitten im Raum und sie gehen nicht mehr weg. Es gab das Schweigen, dem ich begegnete. Weil man die gemeinsame Ebene verlassen hatte. Man hat den gemeinsamen Raum und die gemeinsame Sprache verlassen. Was blieb, war Schweigen.
Und jetzt gibt es diesen Moment, wo die Worte einfach fehlen. All‘ die Fragen, die wir gern stellen würden, könnten wir sie nur formulieren und all die Fragen, dürften wir sie nur stellen, haben sich verkapselt in ein Schweigen. Ich habe Angst, breche ich es auf, dann zerbricht es. Und ich schneide mich daran.
Am 29. Dezember 2010 um 07:08 Uhr
Manchmal ist Schweigen die beste Alternative (oder das kleinste Übel) – das was tief im Innern rumort, den größten Teil der mentalen Kraft verbraucht kann nicht so einfach formuliert und ausgesprochen werden. Die richtigen Zuhörer müssen da sein, die eigene Stimmung muss dazu passen, die richtigen Formulierungen müssen kommen … und wenn es nicht zusammen passt wird es nicht ausgesprochen. Ob das gut oder schlecht ist? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch die Zeit zwischen den Jahren, die solche Gedanken fördert.
Am 31. Dezember 2010 um 07:06 Uhr
ich nochmal … ich lasse noch kurz ein paar gute Wünsche für das neue Jahr da, ich denke das passt hier.
Am 1. Januar 2011 um 21:28 Uhr
Danke, Aebby.
Für beide Kommentare.
Und manchmal ist Schweigen notwendig, ja. Das geht nur nicht dauerhaft. Für mich nicht und vermutlich für niemanden.
Wir haben das Jahresende genutzt, um es stückweise an den relevanten Stellen aufzuweichen. Behutsam, aber entschlossen. Das war gut und notwendig und hat uns einen gemeinsamen und vor allem ausgelassenen Jahreswechsel ermöglicht. Ich hoffe, irgendwie wird alles wieder gut werden. Stück für Stück.
P.S. Happy new year :)