Geh nicht so weit weg

Manchmal muss ich Dinge aufschreiben, sie laufen lassen, um sie zu verstehen. Ich muss sie aus meinem Kopf herausholen, in den Händen halten. Sie betrachten, drehen und wenden, spüren wie sie sich anfühlen, wie sie aussehen. Niemand weiss das besser als du. Niemand. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie Verbindungen zwischen Menschen funktionieren. Ich weiss es bis heute nicht. Aber ich weiss, dass es vom ersten Moment an eine Verbindung gab. Da war dieser Tonfall, der mir so seltsam vertraut war. Er machte mich grinsen, ich hab mich wohl gefühlt, darin wiedergefunden. Ich habe gelacht und manchmal blieb mir der Atem auf halbem Weg in die Lunge stecken weil Worte ungefiltert mein Innenleben berührt haben. Vielleicht waren es nicht einmal die Worte, die in mir jede Firewall und jede Distanz zu umgehen wussten. Vielleicht war es das unausgesprochene Vertrauen, das in diesen Worten mitschwang. Das ich selber fühlen konnte, ohne mir darüber bewusst zu sein. Vielleicht ist es auch das. Ich musste nicht denken, nicht filtern, nicht abwägen. Ich wusste, ich konnte sagen was ich fühle, wie ich fühle, wie ich bin. Nackt sein. Ich sein. Du bist in der Zeit, wo ich nicht mehr allein stehen konnte in meinem Leben, meine Klagenmauer gewesen. Vor dir konnte ich auf Knien liegen und hemmungslos weinen. Ungeschützt. Du hast mich gehalten. Mir in unendlicher Geduld erklärt, wie Leben funktioniert. Mich immer wieder aufgehoben, Dinge relativiert, mir gezeigt, das nach dieser Zeit, nach der ich alles was mich ausmacht, verschüttet und verloren glaubte, noch etwas von mir übrig war. Du hast an mich geglaubt und mir immer das Gefühl gegeben, das du das tust. Ich glaube, du weisst, wie wichtig du in dieser Zeit warst. Aber ich weiss nicht, ob dir bewusst ist, wie sehr du das heute noch bist. Und bleiben wirst.

Unser Zeitenlauf hat sich verändert, Prioritäten haben sich verändert. Passend zum Jahreswechsel ist alles anders geworden. Ich hab mich so über deinen neuen Job gefreut. Über die Freiheit. Als wäre es meiner. Ich freue mich noch immer darüber, natürlich. Ich glaube daran, dass du Erfolg haben wirst. Das das Risiko sich gelohnt hat. Das es Richtig war. Absolut. Heute komme ich in mein Büro, werfe den Rechner und das Outlook an. Gewohnheit. Und jeden Morgen auf ein Neues schaue ich auf den Posteingang. Aber da ist keine ‚Guten-Morgen-Mail‘ mehr. Immer wieder am Tag fallen mir Dinge ein, die ich dir unbedingt sagen will. Manchmal nur ein Fragment, eine Begebenheit, die mich grinsen machte. Etwas, das ich teilen will. Wenn ich dann anfange zu tippen, fällt mir wieder ein, dass es anders ist.

Ich will nicht egoistisch sein. Ich will nichtmal egoistisch klingen. Aber du fehlst mir und ich habe so sehr Angst, irgendwann könnte die Verbindung verloren gehen. Ich will doch, dass du glücklich und erfolgreich in dem bist, was du tust. Ich weiss, das jetzt einfach nicht die Zeit ist. Deswegen muss ich mir das jetzt aufschreiben. Ich muss mich selber daran erinnern, das so eine Zeit des Umbruches nichts ändern wird. Nur, weil wir nicht mehr den ganzen Tag miteinander teilen, heisst das nicht, dass wir unsere Leben, Erinnerungen und Emotionen nicht mehr teilen. Ich schreibe es einfach weiter in meinem Kopf auf. Immer weiter. Und dann trinken wir Kaffee zusammen, ich rauche zuviel und dann erzähle ich dir alles das, was ich für diese Tage in meinem Kopf für dich aufgehoben haben werde. Auch, wie sehr du mir fehlst, Tag für Tag, wirst du dir dann anhören müssen. Geh nicht so weit weg, jemand muss doch weiter auf mich aufpassen und ich befürchte, da hast du Pech. Das kann kaum jemand so gut wie du.

So. Jetzt steht das alles hier und ich muss es mir einfach nur oft genug durchlesen. Mir versichern, dass du doch da bist und ich einfach schon wieder fürchterlich ungeduldig bin, das irgendwann wieder mehr Zeit ist. Dann kann ich auch aufhören mit dem Gequengel. Bestimmt. Ich probiere das jetzt mal aus.

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